Overseas
Jahresgaben 2011
25. November 2011 – 15. Januar 2012

Cristian Andersen, Rui Calcada Bastos, Sergio Belinchon, Marco Bruzzone, Ulrike Grossarth, Eno Henze, Conor Kelly, Lone Haugaard Madsen, Riccardo Previdi, Dan Rees, Mike Ruiz, Patrick Tuttofuoco, Albert Weis, Tilman Wendland, Alvaro Urbano
„Overseas“ präsentiert Arbeiten von 15 Künstlern und bietet den Mitgliedern und Gästen des Kunstvereins die Möglichkeit für neue Begegnungen oder Wiederentdeckungen. Mitglieder können Arbeiten als Jahresgaben erwerben, und so nicht nur die Künstler, sondern auch den Kunstverein fördern.
Unsere aktuelle und erhältliche Jahresgeben finden Sie unter:
www.kunstverein-arnsberg.de/jahresgaben
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„Source“, „Family Jewels“, „The Hidden Chapters Of My Lost Insistence“, „The Hygienic Colours“, „Paradise Lost“, „Public Abstraction, Private Construction“ – dies waren nur einige der Ausstellungstitel im Kunstverein Arnsberg. Zum Jahresende findet sich Zeit für Rückblick und Bilanz, die uns wieder viele Fragen aufgibt – und eine davon ist sicherlich: Warum sind eigentlich so viele Titel auf Englisch? Hat die deutsche Sprache nicht genug Ausdruckskraft oder aber möchten die Künstler einen internationalen Titel verwenden und somit Fehlinterpretationen vermeiden? Ist es die Anziehungskraft des Fremdartigen oder die Besonderheit des spezifischen Begriffs, dessen (Doppel)Bedeutung mit der Übersetzung verloren gehen?
Einer Ausstellung einen Titel zu geben ist oft ähnlich schwierig, wie einem eigenen Kind den Namen. Also sehr persönlich und sensibel. Beliebte und internationale Vornamen im Jahr 2011 waren übrigens Mia und Ben… Die englischen Titel unserer Künstlern thematisieren letztendlich auch eine gesellschaftliche Entwicklung.
Unserer Jahresgaben-Ausstellung haben wir dieses Jahr den Titel „Overseas“ gegeben. Es ist wieder ein englisches Wort mit mehreren Bedeutungen, die sich auf Deutsch nicht eindeutig übertragen lassen.
„Overseas“ wird als „Übersee“ und „Ausland“ übersetzt. Der Engländer meint nicht nur die Südsee sondern auch z.B. die europäischen Nachbarländer; der Europäer wird aber nicht England, sondern die fernen Strände mit „Overseas“ benennen. Eine und dieselbe Begrifflichkeit benennt also je nach Positionierung und kultureller Zentrierung des Wahrnehmenden völlig unterschiedliche Bereiche. Dies findet auch jenseits der Realität politischer und geografischer Assoziationen in den künstlerischen Projektionen und Fantasien unserer Ausstellung statt.
Schichten eines Künstlers
„Wir kommen immer mehr dahin, die Ausstellungen des Kunstvereins als Sehschule zu betrachten“, meint Kunsthistorikerin und Geschäftsführerin des Kunstvereins Kathrin Überholz. Zwei Ausstellungen stellt der Kunstverein vor, die ein genaues „Sehen“ erfordern.
Die ersten zwei Räume der Ausstellung bieten dem Betrachter die Jahresgaben 2011. Hier zeigt der Kunstverein Bilder von renommierten Künstlern, die schon einmal in Arnsberg ausgestellt haben und nun ein oder zwei ihrer Werke dem Kunstbegeisterten zum Kauf anbieten. Die Jahresgaben-Ausstellung trägt den Titel „Overseas“. Für diesen Begriff gibt es mehrere Übersetzungen – Kurator Vlado Velkov übersetzt es mit „Sehnsucht“.
Da ist zum Beispiel Raul Walch, er erinnert mit seinen Fotografien an den Arnsberger Kunstsommer, in dem er Wasserfontänen aufsteigen ließ. Alvaro Urbano stellte seine Werke im Sommer im Lichthaus aus. Auch Ricardo Prividi stellte im Lichthaus aus. Nach einem Stadtrundgang, den der Kunstverein allen ausstellenden Künstlern anbietet, um die ortsspezifische Kunst zu fördern, nahm er das Arnsberger Hallenbad in den Fokus. Heraus kam ein Kunstwerk, das ein mehrfaches Hinsehen erfordert. Die Mitte scheint zerknittert, die Fassade und die Umgebung des Hallenbades verteilen sich auf mehrere Stränge des Bildes. Dieses Bild und viele andere sind käuflich zu erwerben.
Beim weiteren Rundgang stößt man beim „Bild ohne Titel“ auf die zweite Ausstellung, die sich nach Betrachtung dieses Objektes auf eine wunderbare Weise dem Betrachter öffnet. Es ist die Einzelausstellung des irischen Künstlers Conor Kelly mit dem Titel: „Lambada Descomunal/The Monstrous Lamp.
Der Künstler braucht den Raum zwischen der visuellen Aufnahme mit dem Bild und der „Titelfindung. Es entsteht ein experimenteller Raum. Dem Bild einen Titel zu geben, ist für den Künstler fast ebenso wichtig, wie das Bild selbst. So entstehen Namen wie „Black Lungs“ (Schwarze Lunge) oder ein Slogan des ehemaligen Präsidenten Nixon als Titel für das Bild. „Bilder und Ausstellungstitel greifen oft auf die englische Sprache zurück und sind auch nur schwer ins Deutsche zu übertragen“, erläutert Vlado Velkov. „Aber für den Künstler drückt es dann genau das aus, was er meint“.
Kelly arbeitet bei seinen Bildern in mehreren Schichten. So kann es sein, dass ein Jahr darüber vergeht, bevor ein Kunstwerk fertiggestellt ist. Ein langer Prozess kommt in Gang, an dem der Künstler immer wieder das Bild verbessert, gewisse Dinge verändert oder ein neues Bild über das vorherige gelegt wird.
„Ich träume, wache auf und weiß nicht mehr, was ich geträumt habe. Es bleibt ein Gefühl. So geht es mir mit Conor Kellys Bildern. Sie sind nur annähernd zu greifen. In jedem Bild gibt es viele Bilder, die man oft nur ahnen kann“, Dr. Johannes Teiser, Mitbegründer des Kunstvereins, stellte bei der Eröffnung der Ausstellung den Künstler vor und brachte seine eigenen Reaktionen auf die Bilder dem Publikum näher.
Für Ulla Baumüller, eine der zirka 30 Besucher, die zur Eröffnung gekommen waren, war der Abend ein schönes Erlebnis: „Die Bilder sprechen mich an, es ist endlich mal wieder Malerei“. Michael Sittig, Vorsitzender des Kunstvereins, weiß um die Vorliebe einiger Besucher zur Malerei. „Aber der Kunstverein will mehr zeigen. Bei uns soll das zu sehen sein, was in vielleicht in fünf oder zehn Jahren erst dem Geschmack der Zeit entspricht. Und“, fügt Sittig ein wenig stolz hinzu, „Arnsberg hat einen guten Ruf in der Szene. Für die Vita eines Künstlers ist es gut, schon einmal in Arnsberg ausgestellt zu haben“.
So sollte der „Seher“ vor dem Bild verweilen, sich hineinfinden. Die Bilder sind mehrfach deutbar, und – er kann sich an die Anwesenden, eigens für diese Ausstellung eingewiesenen jungen Leute wenden, um dies und das erklärt zu bekommen oder sich ganz durch die Traumwelt des Conor Kelly führen lassen.
(https://www.sauerlandkurier.de/hochsauerlandkreis/arnsberg/schichten-eines-kuenstlers-5846616.html)