LINES OF BECOMING – VOM WERDEN Jahresgaben 2025
Adriano Amaral, assume vivid astro focus (AVAF), Manon Awst, Malte Bartsch, Otis Blease, Elio J. Carranza, Louis Braddock Clarke, Patricia Claro, Mariechen Danz, Patricia Domínguez, Surya Suran Gied, Elise Eeraerts und Roberto Aparicio Ronda, Antonia Taulis
30. November 2025 – 01. Februar 2026

Adriano Amaral, assume vivid astro focus (AVAF), Manon Awst, Malte Bartsch, Otis Blease, Elio J. Carranza, Louis Braddock Clarke, Patricia Claro, Mariechen Danz, Patricia Domínguez, Surya Suran Gied, Elise Eeraerts und Roberto Aparicio Ronda, Antonia Taulis
Eröffnung der Ausstellung am Sonntag, 30. November 2025, 11:00 Uhr.
Die Jahresgabenausstellung des Kunstvereins Arnsberg 2025 trägt den Titel „Lines of Becoming – Vom Werden“. Sie ist eine poetische Erkundung von Veränderung, Fluidität und stetigem Werden, in der sich Natur, Kosmos, Technologie und menschliche Sinneserfahrung zu einem rhizomatischen Geflecht verweben. Die Ausstellung eröffnet einen Raum, in dem das Entstehen von Welten sowohl ästhetisch als auch konzeptionell erfahrbar wird, von mikro- bis makrokosmischen Dimensionen.
Der Parcours beginnt mit den floralen Malereien von assume vivid astro focus (AVAF), die zarte Strukturen zwischen organischer Natur und kosmischer Imagination entfalten. Dazwischen entfalten die Vulkanfotografien von Louis Braddock Clarke ihre kraftvolle Präsenz, eruptiv, monumental und zugleich sensibel für die Texturen von Erde, Licht und Form. Adriano Amarals „Prosthetic Painting Series“ (2023) entführt die Besucher:innen in Sci-Fi-Sumpflandschaften, die die materielle Vorstellungskraft der Versumpfungsmetapher verbildlichen – Orte des Übergangs, der Transformation und des stetigen Werdens.
Mariechen Danz’ Arbeiten erweitern die Ausstellungsebene um körperlich-intellektuelle Reflexionen. Ihre Holzwürfel, die sowohl Werkzeuge als auch Sitzhocker sind, nehmen Bezug auf aus der Früherziehung bekannte ABC-Bauklötze, jedoch ersetzen Symbole wie Körperteile, anatomische Darstellungen, Gesten, Diagramme, Linien und Pfeile die vertrauten Buchstaben. In den Serien der Organs versammelt Danz Abgüsse menschlicher Innereien, Gehirne, Herzen, Zunge, Ohren und Verdauungssysteme, abgeleitet von medizinischen Lehrmodellen. Besonders die fossilizing organs, mit eingeschlossenen Steinen und Mineralien, initiieren einen Fossilisierungsprozess, der jedes Organ mit verschiedenen Orten der Welt verbindet. Die verstreuten Buchstaben der learning organs verstopfen Darm und Gehirn, stören das lineare Verständnis von Wissen und initiieren Prozesse des „Unlearning“.
Surya Suran Gieds Malereien leiten zu einer visuellen Welt über, die auf dem beliebten südkoreanischen Kartenspiel „Godori / Go-Stop“ mit den symbolträchtigen Hwatu-Karten basiert. Diese Karten, deren Illustrationen Naturphänomene und Jahreszeiten darstellen, spiegeln eine zirkuläre, landwirtschaftliche Lebensweise wider. Obwohl tief in einer kolonialen Vergangenheit verwurzelt, wurde das Kartenspiel fortgeführt, angeeignet und generationsübergreifend populär. In ihren Arbeiten abstrahiert Gied die ikonographischen Elemente und transformiert sie durch veränderte Farben und Formen, wodurch sowohl die visuelle Ästhetik als auch die symbolische Bedeutung neu verhandelt wird.
Otis Blease zeigt Schwarz-Weiß-Skulpturen aus Pappmaché, die Stadtlandschaften und Neubauten darstellen. Diese architektonischen Modelle hinterfragen weniger, wie Gebäude aussehen, sondern vielmehr, warum sie entstehen, und für wen. Die skulpturalen Monolithen, zusammengesetzt aus recycelten Holzschnitten, Zeichnungen, Karton und Farbe, wirken totemartig, lebendig und voller Charakter, ein scharfer Kontrast zur oft unbewohnten Realität der Neubauentwicklungen, an die sie erinnern.
Elise Eeraerts und Roberto Aparicio Ronda präsentieren filigrane Metallzeichnungen, die Naturkräfte, Symbiosen und feine Wechselwirkungen zwischen Organischem und Materiellem sichtbar machen.
In einer Auseinandersetzung mit Natur, Heilung und Widerstand zeigt die Ausstellung auch Arbeiten von Patricia Domínguez. Aus ihrem kosmisch-spirituellen Universum sind zwei Aquarelle zu sehen, die sich mit energetische Strömungen und reinigenden Wasserflüssen im Inneren des Körpers beschäftigen. Ergänzt werden sie durch zwei Fotodrucke auf Dibond aus dem Projekt La Balada de la Sirenas Secas, das die Auswirkungen von Wasserprivatisierung in Chile thematisiert.
Daran anschließend eröffnet Patricia Claro mit ihrer Arbeit „Carta de Agua“ (2016) eine poetisch- wissenschaftliche Perspektive auf Wasser, Reflexion und Schrift. Ihr Kupferstich mit Aquatinta und Prägedruck gehört zum Forschungsprojekt AGUAGRAMAS, in dem sie die Süßwasserreserven Südamerikas untersucht und deren Reflexionen als visuelle Zeichen festhält. Diese sogenannten Aguagramas – Ideogramme des Wassers – wirken zufällig und zugleich strukturiert. Claro spekuliert über eine verborgene „Schrift des Wassers“, die sich jenseits sprachlicher Logik, aber tief in der Natur einschreibt und darauf wartet, gelesen oder gehört zu werden. Antonia Taulis erweitert diese Perspektive mit ihrem Poster AWA, Teil der Serie mercvria, das das Recht auf Wasser in Chile thematisiert. Ihre grafische Arbeit verbindet ästhetische Prägnanz mit politischem Engagement und macht sichtbar, wie Wasser nicht nur Lebensgrundlage, sondern auch umkämpftes Gut ist – ein Medium sozialer und ökologischer Verantwortung.
Die Verbindung zur Landschaft wird in den Werken von Manon Awst konkret und sinnlich. In der Serie “Venting” (2023–24) kombiniert sie Aluminium mit Torfgräsern und Schilf aus einem Moorgebiet auf Anglesey, und materialisiert so den Atem der Erde. Parallel dazu zeigt die Ausstellung “Bogged Down” (2023), eine Reihe von Drohnenbildern einer performativen Untersuchung im Cors Bodeilio Nature Reserve, in der ein Körper mithilfe eines Gewichts aus Kalkstein in den Moorboden gedrückt wird. Eine weitere Untersuchung von Entschleunigung und Wahrnehmung bietet Malte Bartschs Serie „Mond“. Himmelskörper, die sonst jenseits unseres Blickfelds ihre Bahnen ziehen, erscheinen auf leuchtenden LED-Flächen als langsam rotierende Sphären, so träge, dass ihre Bewegung erst über die Zeit spürbar wird. Jeder Mond folgt seinem eigenen Rhythmus und schafft den poetischen Raum einer Verlangsamung, die sich der Beschleunigung des Alltags widersetzt und den Blick neu auf das Verhältnis von Bewegung, Wandel und Dauer richtet.
Elio J. Carranza hat eigens für die Ausstellung eine neue skulpturale Installation entwickelt, basierend auf einer über 4000 Jahre alten Technik des Glasgusses, dem Vorläufer des Glasblasens. Jede Glasform fungiert als modulares Element innerhalb einer Übung des Weltenbauens, die Carranzas Praxis prägt und die Besucher:innen in ein System aus Form, Licht und organischer Fragmentierung eintauchen lässt.
Die Ausstellung zeigt, dass Veränderung keine lineare Bewegung ist, sondern ein fließendes, rhizomatisches Netz aus Potenzialen, Begegnungen und Entwicklungen, ein stetiges Werden, das den Blick über das Hier und Jetzt hinaus öffnet und die Vorstellungskraft auf natürliche, kosmische, menschliche und technologische Ebenen ausdehnt.
Kunstverein Arnsberg ist gefördert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein- Westfalen, die Stadt Arnsberg, Brauerei C & A Veltins und die Sparkasse Arnsberg-Sundern.

Louis Braddock Clarke, Silent Sun Splatter, Analog Photography

