Nasan Tur
16. Januar – 27. Februar 2005
zumeist an öffentlichen Orten, beobachtet Nasan Tur den Menschen und seine Verhaltensmuster und führt kritisch aber zugleich auch auf humorvolle Weise Untersuchungen zu unserer kulturellen und sozialen Identität. Seine performativen Interventionen, Videoarbeiten, Fotografien und Objekte zeigen kleine Störungen in alltäglichen Situationen und Bilder. Diesen eher spielerisch als provozierend angelegten Irritationen gelingt es unsere Vorstellungswelt zu erweitern. Dem Konzept seiner Ausstellung im Kunstverein Arnsberg hat Nasan Tur den Begriff ‚Platzierung‘ vorangestellt. Ein Begriff der sich sowohl auf reale als auch auf vorgestellte oder empfundene Orte und Zuordnungen beziehen lässt. somersaulting man, 2001-2004, eine Installation aus vier Videos zeigt öffentliche Plätze in Istanbul, Frankfurt, Tokio und Paris, über die sich ein purzelbaumschlagender Mann bewegt. Auch wenn die Reaktionen der umstehenden Menschen auf dieses kindlich-anarchistische Verhalten beinahe einheitlich zwischen ungläubigem Erstaunen und völliger Nichtbeachtung variieren, ist man versucht kulturelle Unterschiede zu entdecken. Im Video The puddle and the blue sky, 2001, ist ein Parkplatz zu sehen, auf dem eine Person, der Künstler selbst, nur mit einer Badehose bekleidet auf dem Rücken in einer großen Pfütze liegt. Die entspannten Bewegungen seiner ausgestreckten Arme lassen im Wasser leichte Wellen entstehen und suggerieren ein Wohlgefühl. Allerdings steht die Intimität dieser Badeszene in seltsamem Widerspruch zur Öffentlichkeit des Platzes und der potentiellen Gefahr hier von einem Auto überfahren zu werden. Nasan Turs selfportrait, 2000, zeigt seinen aktuellen deutschen Personalausweis, für dessen Passbild er sich einen Schnurrbart wachsen ließ. Den Schnurrbart, den man in Deutschland klischeehaft mit ‚dem Türken‘ verbindet. Höchst subtil stellt diese Arbeit nicht nur die persönliche bzw. kollektive Identität in Frage, sondern ebenso die im Ausweis angelegte Reduzierung des Menschen auf seine amtliche Daten. Das Video a place, 2004, führt einen anonymen Ort im Netzwerk der Urbanität vor Augen. Mit ein wenig Strauchwerk hat man sich dort zwischen Schnellzugstrecke und Autobahn bemüht Natur zu gestalten. Zum Leben erweckt – haben wir richtig gesehen? – wird diese durch den Eingriff des Künstlers. Für die Platzanlage vor dem Kunstverein, den klassizistischen Neumarkt, hat Nasan Tur eine Lichtinstallation geschaffen. Schein, 2005, lässt über diesen höchst repräsentativen, aber im Grunde recht wenig frequentierten Ort nach Anbruch der Dunkelheit kleine Lichtpunkte wandern. Spielerisch tasten sie die Weite des Platzes ab und entdecken, im eigentlichen Sinne des Wortes, die einzelnen Menschen die ihn beleben. Ein überraschendes Erlebnis, das den ein oder anderen nächtlichen Spaziergänger unangenehm berühren mag, das aber vor allem für das Potential dieses Platzes sensibilisiert und einen phantasievollen Umgang damit anregt.
1974 geb. in Offenbach, Hochschule für Gestaltung Offenbach; Städelschule, Frankfurt a.M. bei Ayse Erkmen. Ausst. u.a. 1999 from 0-1 and back again, Schirn Kunsthalle, Frankfurt a.M., 2000 Identity, Deutsche Bank Ausstellungstournee, Frankfurt a.M., New York, London und Tokyo (K), 2001 Testsieger, Kommunale Galerie, Darmstadt (E), 2002 Under The Beach: The Pavement, Museum of Contemporary Art, Istanbul, 2003 Blut und Honig, Sammlung Essl-Kunst der Gegenwart, Wien (K); Neresi?/Burasi?, Museum of Modern Art, Saitama/Japan (K); I’am too sad to kill you!, Museum of Contemporary Art, Istanbul (K), 2004 Junge Kunst, Saarlandmuseum, Saarbrücken u.a. (K); Brothers and Sisters and Birds, Badischer Kunstverein, Karlsruhe (K); Das erinnerte Haus, Museum Folkwang, Essen; Phase 1, Museum of Modern Art, Istanbul, lebt in Frankfurt a.M.