PAINTED MATTER
Jeewi Lee, Marco Bruzzone, Sarah Kirsch, aaajiao
22. September – 19. November 2023

Die Ausstellung im Kunstverein Arnsberg, Painted Matter, erkundet das Medium Malerei aus zeitgenössischer Perspektive. Die Malerei existiert seit den Anfängen der Menschheit und hört doch nie auf, die Bühne zu beherrschen.
Worin liegt eigentlich die Faszination für die Praxis des Auftragens von Farbe oder Pigmenten auf eine feste Oberfläche? Welche Relevanz hat Malerei in der unübersehbaren Bilderflut von heute? Und lässt diese Art des Umgangs mit
Malgrund und Farbe wesentliche Auseinandersetzungen mit den drängenden Fragen unserer Zeit zu?
Wir haben uns eine feine Auswahl von Künstler*innen ausgesucht, die die Grenzen dessen, was Malerei heutzutage sein kann, verschieben und die durch den Akt des Malens die Welt im Wandel hinterfragen, von den Auswirkungen des Klimawandels bis hin zur digitalen Revolution, bei der künstliche Intelligenz in unsere täglichen Aktivitäten eindringt.
Die Malerei ist eine Art des Beobachtens, des Aufzeigens des Unsichtbaren oder der Risse des Dazwischen. Sie macht Unbewusstes sichtbar bis hin zu einer Art des Träumens. Sie braucht ihr Publikum als eine Form der Vermittlung von
Erkenntnis. Braucht das Publikum heute auch die Malerei? In welcher Form?


Jeewi Lee erforscht das Medium der Malerei durch Konzept und Material, durch An- und Abwesenheit. Ein riesiger apokalyptischer Waldbrand, den sie in Italien hautnah miterlebte, wurde zum Ausgangspunkt für das Projekt Ashes
to Ashes (2018). Sie fertigte Seifenskulpturen aus natürlichen Ölen sowie aus Partikeln der verbrannten Bäume des toskanischen Waldes. Asche, ein symbolisches, reinigendes Element, und Holzkohle, als Pigment für die Seifenskulptur. Lee prägt jedes Seifenstück von Hand mit einem Stück verbrannter Rinde als Stempelsiegel und manifestiert so die Spuren einer ausgelöschten Vergangenheit in den neu geformten Seifen. Asche ist auch der Beginn neuen Lebens und hier der Ausgangspunkt für die Ausstellung.
Wir zeigen auch eine weitere Arbeit von Lee, Fields of Fragments, eine Serie von Sandbildern, in denen die Künstlerin monochrome Farbfelder oder Farbverläufe aus selbst gesammelten Sedimenten von Dakar bis Korea schafft. Im
meditativen künstlerischen Akt des Malens mit Sand betont Lee auch die Natur des einzelnen Korns: Jedes hat seine eigene lange Geschichte, befindet sich immer in Bewegung und ist somit frei, die Grenzen von Staaten und Kontinenten zu überschreiten. Je feiner und runder ein Korn ist, desto länger ist es auf Wanderschaft. Durch die Betrachtung dieser winzigen Weltarchive und des sich ständig bewegenden Bodens, den die Sandkörner bilden, hinterfragt Lee die Definition von Territorium, Grenzen und letztlich von Zugehörigkeit.

Marco Bruzzone lässt seine Arbeiten mit lebenden Ökosystemen zusammenarbeiten und lässt so in diesem Prozess die Unvorhersehbarkeit des Ergebnisses zu. Seine jüngsten Gemälde sind das Resultat einer Reihe von "Unterwasserprotesten",
die unter anderem in den Meerestiefen um Bergen (Norwegen) stattfanden. Sie ähneln Zeichenbildern, die in der langen Tradition der Protestkunst stehen, verweisen aber auch auf die vergleichsweise lange Geschichte der Meeresikonographie in der Malerei. Vor allem aber bieten sie, im wahrsten Sinne des Wortes, einen gedämpften Blick in die Zukunft - oder darauf, wie ein Großteil der heutigen Kunst in nicht allzu ferner Zukunft aussehen könnte: als Teil einer “Wasserwelt”.

 

Die Grundstimmung von Sarah Kirschs Gemälden ist von Ambivalenzen geprägt: Sie konfrontiert eine mehrdeutige Art von Spiegel der Innenwelt mit der äußeren Umgebung eines jeden Menschen. Der Ursprung ihrer Werke liegt meist in einer
(persönlichen) Erinnerung, einem zufällig gefundenen Foto, einer beobachteten Szene, einer Absurdität oder einfach einer interessanten Oberfläche oder einem besonderen Licht. Sie gibt diesen Fragmenten einen Raum, um daraus eine neue Geschichte zu erzählen. Ihre Arbeiten sind poetisch und verbinden eine abstrakte Konkretheit mit einer verträumten Welt aus realen Gefühlen und alltäglicher Umgebung.

 

aaajiao ist die virtuelle Persona des in Shanghai und Berlin lebenden Künstlers Xu Wenkai, der online als Medienkünstler, Blogger, Aktivist und Programmierer aktiv ist. Viele von aaajiaos Arbeiten beschäftigen sich mit neuen Denkansätzen, Kontroversen und Phänomenen rund um das Internet, wobei spezifische Projekte sich auf Datenverarbeitung, die Blogosphäre und Chinas Große Brandmauer konzentrieren. aaajiaos jüngste Projekte erweitern seine Praxis um Seidendruck und digitale Malerei. Aaajiao nutzt künstliche Intelligenz, um digitale Gemälde zu schaffen, die er durch Handzeichnungen auf Leinwand und manuellen Siebdruck ergänzt. Diese Werke fangen den Puls der jungen Generation ein, die Cybertechnologie nutzt und in den sozialen Medien lebt. Die Arbeiten verbinden antike Höhlenmalereien mit buddhistischen Tempeln, Rechenzentren, Wireframes und chinesischen Landschaftsmalereien.

 

Photodokumentation: Heiner Lieberum